Sonntag, 17. September 2017

Vitamin C - ohne Bedeutung für Kaninchen?

Vor etwa 25 Millionen Jahren führte eine Genmutation bei einigen Säugetierarten zum Verlust der Fähigkeit, im Körper selbst Vitamin C (Ascorbinsäure) zu synthetisieren. Dazu gehören z. B. Meerschweinchen, Menschen und Primaten. Vitamin C  ist wasserlöslich, weshalb es bei der Lagerung von Nahrungs- und Futtermitteln in einem bestimmten  Maß verloren geht.

Kaninchen können das Vitamin in der Leber aus Glukose selbst produzieren.  Es ist an der Biosynthese von Kollagen und Carnitin beteiligt und stimuliert die phagozytische Aktivität von Leukozyten. Leukozyten sind weiße Blutkörperchen, die zum körpereigenen Immunsystem gehören und unter anderem an der Erkennung körpereigener und körperfremder Strukturen beteiligt sind. Sie bilden Antikörper und sind für die Phagozytose  von Krankheitserregern und körpereigenen Abbauprodukte verantwortlich. Die Gruppe der Phagozyten sind spezielle weiße Blutkörperchen, die Fremdkörper erkennen, umschließen und verdauen, weshalb sie auch als „Fresszellen“ bezeichnet werden. Eine zweite Gruppe der weißen Blutkörperchen bilden die Lymphozyten.  Deren Hauptaufgabe besteht in der gezielten Abwehr von  Infektionserregern und veränderten, körpereigenen Zellen wie Krebszellen (Tumorzellen). Eine weitere Aufgabe von Vitamin C besteht in dem Schutz von Vitamin E vor Oxidation. 

Untersuchungen zeigten, dass ungünstige Bedingungen wie heißes Wetter, Stress, die Entwöhnung junger Tiere sowie subklinische Erkrankungen die Synthese von Ascorbinsäure aus Glukose behindern, so dass dem Körper weniger Vitamin C zur Verfügung steht (Mateos, et al. (2010). Unter subklinischen Erkrankungen werden solche verstanden, die einen leichten Verlauf zeigen, klinisch nicht oder nur schwer erkennbar sind und für die keine klinische Behandlung notwendig ist.

Die frühere Bezeichnung von Vitamin C als „antiskorbutisches Vitamin“ geht auf die Krankheit „Skorbut“ zurück, die durch einen langfristigen Mangel an diesem Vitamin hervorgerufen wird. Als Folge können z. B. Zähne im Kiefer locker werden und ausfallen.

In Bezug auf die Ernährung des Menschen wie auch von Kaninchen wird immer wieder betont, dass Gemüse eine wichtige Rolle spiele, weil es so viele Vitamine enthalten würde. In dem folgenden Diagramm sind verschiedene, mögliche Futtermittel für Kaninchen aufgeführt. Für die Daten von „Gemüse“ wurde ein  Mittelwert aus Möhre, Pastinake, Sellerie, Gurke, Brokkoli, Chicorée, Feldsalat, Grünkohl und Kopfsalat gebildet. Diese einheimischen Produkte sind in der Ernährung von Kaninchen weit verbreitet, weil sie recht einfach in Supermärkten zu beschaffen sind. Die Einzelwerte stammen aus Souci (2008). Die Werte für „Kleeheu“ und „Weidegras“ wurden dem Lehrbuch von Nehring (1972) entnommen. Für Weidegras wird von K. Nehring eine Spanne von 2.000-3.000 mg/kg TS angegeben, ich habe daraus einen mittleren Wert von 2.500 mg/kg TS angenommen. Weiterhin habe ich eine Empfehlung aufgnommen, die ein Gemisch von 75% Heu und 25% Gemüse als gut und ausreichend für Kaninchen erachtet. Als ein weiterer Wert wird das Verhältnis 50/50 Heu und Gemüse dargestellt. 

Bild 1: Gehalte von Vitamin C in verschiedenen Futtermitteln
100% eines Futtermittel bedeuten in dem Diagramm, dass ein Kaninchen ausschließlich damit gefüttert wird. Ernährt man ein Kaninchen nur mit Weidegras, würde es damit im Vergleich zur alleinigen Verfütterung von Heu die 42fache Menge von Vitamin C aufnehmen und im Vergleich zum ausgewählten Gemisch von Gemüse das Dreifache. Wahrscheinlicher und oft empfohlen wäre aber eine Mischung aus Heu (75%) und Gemüse (25%). Im Vergleich zu diesem "Futter" würden Kaninchen mit Weidegras das Sechsfache der Vitamin-C-Menge aufnehmen.

Für den nutritiven Zweck, also dem der Versorgung des Körpers mit der nötigen Menge an Ascorbinsäure für verschiedene Körperfunktionen wird angenommen, dass die körpereigene Biosynthese das Kaninchen mit einer ausreichenden Menge versorgt, wenn nicht ungünstige Bedingungen diese einschränken. Es gibt aber noch einen (oder mehrere) Aspekte, der in Verbindung mit Vitamin C eine Rolle spielen kann.

Die Natur hat für das Kaninchen eine Nahrung vorgesehen, die in dem angeführten Maß (am Beispiel von Weidegras) einen sehr hohen Gehalt an Ascorbinsäure enthält. Weiterer Aspekte in der Nahrung sind ein hoher Gehalt an Calcium sowie ein pH-Wert des Urins von Kaninchen, der je nach Quelle, basisch ist, wobei es Schwankungen in einem Bereich von 5-9 (Median 8-8,5, je nach Prüfmethode) bei Hauskaninchen geben kann (Binder, 2011). Der relativ hohe (basische) pH-Wert begünstigt ein Ausfällen von Calciumverbindungen, insbesondere solcher, die aus Calcium und Phosphat bestehen.

Ein Grund, warum ich immer wieder darauf verweise, Kaninchen mit frischen Pflanzen von Wiesen zu versorgen, besteht in dem hohen Ascorbinsäuregehalt dieser Nahrung: er säuert den Urin auf natürliche Weise an. Bisher ist (mir) nicht bekannt, wie groß dieser Effekt ist, weil es darüber keine Untersuchungen gibt. Von Harris, et al. (1956) wurde aber nachgewiesen, dass mit steigender Zufuhr von Vitamin C über die Nahrung auch die ausgeschiedene, überschüssige Menge zunimmt. Somit ist auch der Urin weniger basisch. Im Humanbereich wird Vitamin C therapeutisch bei Harnwegserkrankungen mit Steinbildungen eingesetzt, die auf Grund eines zu basischen Milieus entstehen.

Es gibt in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Grund, frische Grünpflanzen für Kaninchen zu empfehlen. Die schwefelhaltige Aminosäure "Methionin" ist ebenfalls geeignet, den Urin auf natürliche Weise anzusäuern. Dazu folgen in einem anderen Artikel mehr Informationen.

Abschließend zur Frage, ob Vitamin C in der Nahrung für Kaninchen keine Rolle spiele, weil es vom Körper selbst hergestellt werden kann - dagegen sprechen mehrere Gründe:
  • die Biosynthese im Körper ist vom Gesundheitsstatus eines Tieres abhängig
  • die natürliche Nahrung des Wildkaninchens verfügt über einen sehr hohen Gehalt an Vitamin C
  • es ist fraglich, ob die Biosynthese in Hauskaninchen bei einer, im Vergleich zu der des Wildkaninchens defizitären Nahrung allein ausreicht, den Gehalt zu liefern, wie er Wildkaninchen  über die natürliche Nahrung zur Verfügung steht.
Auch ohne einen eindeutigen Beleg aus einer wissenschaftlichen Untersuchung stellt für mich Vitamin C also eine wichtige Komponente in der Nahrung für Kaninchen dar, weil unabhängig von der Fähigkeit der Synthese im Körper ein Defizit im Futter von Hauskaninchen Harnwegserkrankungen begünstigen kann. Außerdem stellt es eine wichtige Komponente im Immunsystem dar.

Von einer Supplementierung mit Vitamin-C-Präparaten würde ich abraten. Vitamine (wie auch andere Nahrungsstoffe) sollten immer in natürlicher Form (mit der Nahrung) zugeführt werden.

Quellen:
  • Binder, N. (2011): Referenzbereiche für Urinparameter bei Kaninchen und Meerschweinchen. LMU: München. Dissertation
  • Chatterjeee, I. B.; Majumder, A. K.; Nandi, B. K.; Subramanian, N. Synthesis and some major functions of vitamin C in animals. Annals of the New York Academy of Sciences 258.1: 24-47
  • Harris, L. J.; Constable, B. J.; Howard, A. N.; Leader, A. (1956): Vitamin C economy of rabbits. Brit. J. Nutrition 10: 373-382
  • Mateos, G. G.; Rebollar, P. G.; de Blas, C. (2010): Minerals, Vitamins and Additives. In: de Blas, C.; Wiseman, J. (Hrsg): Nutrition of the Rabbit, 2nd Edition. ISBN: 978-1-84593-669-3. S. 119-150
  • Nehring, K. (1972): Lehrbuch der Tierernährung und Futtermittelkunde. 9. neubearb. u. erw. Aufl. Radebeul, Berlin: Neumann
  • Souci, S. W. (2000): Die Zusammensetzung der Lebensmittel. Stuttgart: Medpharm Scientific Publ. ISBN 3-88763-076-9
  • Tuchscherer, M.; Manteuffel, G. (2000): Die Wirkung von psychischem Stress auf das Immunsystem. Ein weiterer Grund für tiergerechte Haltung (Übersichtsreferat). Arch. Tierz., Dummerstorf 43.6. 547-560.

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